von Eike Harden
Auf eine Nachfrage in der letzten Ratssitzung deutete die Stadtverwaltung an, weiter auf den Bau großer Lagerhallen im Gewerbegebiet Luhdorf zu setzen, um möglichst viel Geld aus diesem Gebiet herauszuschlagen. Wo bleiben die Überlegungen zur langfristigen Bilanz der Vor- und Nachteile dieser Branche für Winsens Bürger?
Weitere Lagerhallen für Luhdorf?
Ich hatte zunächst gehofft, den Aprilscherz gefunden zu haben, als ich im Wochenblatt las, der Erste Stadtrat Riech freue sich über die zahlreichen Lagerhallen im Gewerbegebiet Luhdorf – beschönigend wird dieser unnütze Flächenverbrauch gern „Logistikansiedlung“ genannt. Aber leider ist nun klar: Der Aprilscherz war die Ansiedlung einer Fast-Food-Kette im Alten Land (einer Kette übrigens, die Winsen bereits vom Gewerbegebiet Luhdorf aus vermüllt) – und Herr Riech meinte es Ernst mit seiner Freude über den Flächenverbrauch.
Lagerdienstleistungen: Wie geht es weiter?
Unten habe ich noch einmal den zeitlichen Ablauf der Diskussion aufgelistet. Sie begann vor 15 Jahren mit der Planung des Gewerbegebiets, wurde von Gutachten der Stadt zum Einzelhandel und zum demografischen Wandel beeinflusst, und ebenso von der weltweiten Wirtschaftskrise. Es hat sich dabei gezeigt, dass große Gewerbegebiete sich kaum eignen, „innovative“ Unternehmen anzuziehen und dafür eine Innenstadt erheblich schädigen können.
Sie sind teuer in der Anschaffung und setzen denjenigen unter Druck, der die Anschubkosten aufbringen musste, möglichst schnell Einnahmen zu generieren – im schlimmsten Fall durch überhasteten Verkauf der Flächen und Ausweisung neuer Gebiete. Schließlich sind im Falle einer Krise etablierte kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) viel verlässlichere Partner als junge oder große Unternehmen, ganz zu schweigen von „Karawanenkapitalisten“ (um nicht „Heuschrecken“ zu schreiben).
Ich finde, es wird Zeit, gemeinsam über die langfristige Ausrichtung der Stadt nachzudenken. Wollen die Winsener weitere kurzfristige Investitionen, die die Stadt alleine nicht stemmen kann, so dass sie sich in verhängnisvolle Abhängigkeiten begeben muss? Oder wollen sie lieber kleinere und besser durchdachte Projekte finanzieren, die langfristig einen Gewinn abwerfen – nicht nur an Geld, sondern auch an Lebensqualität?
Drei Denkfehler
Herr Riech begründete seine Freude damit, dass das Gewerbegebiet seit einem halben Jahr schwarze Zahlen schreibe und zudem die Lager nachhaltig
Arbeitsplätze geschaffen hätten. Ich sehe mindestens 3 Irrtümer in dieser Argumentation:
- Dass das Gewerbegebiet für sich genommen schwarze Zahlen schreibt, ist zwar schön und gut, aber eigentlich völlig unwichtig. Wichtig ist allenfalls, ob der Gewinn dauerhaft auch die Folgekosten (z.B. Straßenschäden durch Schwerlastverkehr) aufwiegt.
- Bei den Arbeitsplätzen darf es keine Rolle spielen, ob die Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose oder Berufseinsteiger entstehen, der Effekt muss in erster Linie anhalten. Die behauptete Nachhaltigkeit muss sich aber erst noch erweisen.
- Schließlich: Herr Riech hält sich seinen Riecher zugute. Es spricht aber nichts dafür, dass ausgerechnet Winsen viele Arbeitslose zu einer Zeit hat, zu der doch ganz Deutschland die niedrigste Quote seit 24 Jahren aufweist.
Herr Riech lobt hier eine Politik, die CDU-geführte Mehrheiten im Stadtrat beschlossen haben. Inzwischen behauptet die CDU aber, keine weitere Logistik ansiedeln zu wollen. Hier bedarf es dringend der Klärung.
Realistisch betrachtet werden wir die Arbeitslosigkeit nicht einmal in Winsen auf der Gemeindeebene beseitigen, erst recht nicht langfristig, kostenneutral oder über Winsen hinaus. Drehen wir also nicht am ganz großen Rad, sondern schaffen wir gemeinsam eine möglichst lebenswerte Stadt. Denn: Jeder Euro, den wir heute ausgeben, weil es „Experten“ modisch erscheint, kann uns morgen bereits fehlen; von jedem umsichtig ausgegebenen Euro heute können wir alle hingegen noch jahrelang profitieren.
Chronologie der Ereignisse
- 2001 wurde ein Vertrag mit einer damals dem Land Niedersachsen gehörenden Vermarktungsgesellschaft geschlossen.
- 2007 wurde das Handlungskonzept zum demografischen Wandel vorgestellt mit einem Unterpunkt „Strategische Akquisition“: Logistik sollte nach Winsen gelockt werden, z.B. über den Preis.
- 2007 auch wurde das Einzelhandelsgutachten für die Innenstadt vorgestellt: Ein wichtiger Vorschlag war, Funktionen für die Innenstadt zu sichern, u.a. Handel, Dienstleistungen, Freizeit; daraus folgte, dass alle diese Funktionen nicht in Gewerbegebieten erfüllt werden sollen. „Nicht zentrenrelevante Sortimente“ für die grüne Wiese benötigten, so definierte das Gutachten, große Flächen.
- 2008 erklärte der zuständige Vermarkter dem Stadtrat, die Stadt dürfe selbst entscheiden, wer Flächen erhalte.
- 2010 hatten sich die alten Planungen durch die Wirtschaftskrise weitgehend zerschlagen und mittelständische Unternehmen fingen diesen Ausfall auf.
- 2013 sagte Ratsherr Riedel bei der Planung des 2. Bauabschnitts, dass für ihn die Logistik nur ein Notnagel war, Erhard Schäfer, dass die GRÜNEN gegen weitere Logistik dort sind. Bernd Meyer wies noch einmal darauf hin, dass die Stadt weitere Logistik und damit zusätzlichen Schwerlastverkehr verhindern könne.
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