Wie barrierefrei ist die neu gestaltete Innenstadt in Winsen?

Barrierefreiheit – das war das große, alles umfassende Ziel der Umgestaltung der Winsener Innenstadt. Inzwischen ist ein Großteil der Baumaßnahmen abgeschlossen. Auf Initiative der GRÜNEN Ratsfraktion nahmen Frau Kohls und Herr Lünzmann, Vertreter*innen des Inklusionsbeirates des Landkreises Harburg sowie Herr Wiebe, regionaler Ansprechpartner für den nds. Blinden- und Sehbehindertenverband, das Ergebnis jetzt in Augenschein.

Spezielle Brillen vermittelten den anwesenden Politiker*innen gleich zu Beginn einen Eindruck von der Einschränkung, mit der die betroffenen Mitbürger*innen ihren Alltag zu bewältigen haben. Das im Pflaster verlegte Blindenleitsystem in Verbindung mit dem Blindenstock ist eine notwendige und praktikable Hilfe – wie Hella Boltz und Margot Schäfer selbst ausprobieren konnten. Die Hilfe endete jedoch jäh in den quer zur Laufrichtung verlegten Regenwasser-Einläufen.

Überhaupt wird durch die Verlegung des Leitsystems in der Regenrinne der Eindruck für Unbeteiligte erzeugt, es handele sich um die notwendige Entwässerung. Entsprechend ist auch sowohl auf dem Wochenmarkt als auch im weiteren Verlauf der Innenstadt das Leitsystem zugestellt und blockiert. Dieses geschieht nicht aus mangelnder Hilfestellung heraus, sondern aus Unwissenheit der Marktbeschicker*innen bzw. der Gewerbetreibenden, ist Hermann Wiebe überzeugt, der die Verantwortlichen in der Vergangenheit immer wieder angesprochen hat und stets auf offene Ohren gestoßen ist. Die Umsetzung des berechtigten Anliegens der beeinträchtigten Personen lässt jedoch dennoch teilweise zu wünschen übrig. Offen liegende Stromanschlüsse bilden an Markttagen Stolperfallen auch für nicht beeinträchtigte Personen. Hier ist die Stadt gefordert, Abhilfe zu schaffen, Position zu beziehen und durch Öffentlichkeitskampagnen und mittels des Ordnungsamtes Klarheit zu schaffen. Vorgeschrieben ist ein durchgehender Begegnungsabstand von 1,80 m, der an vielen Stellen nicht vorhanden ist.

Weitere Mängel zeigt Matthias Lünzmann auf. Er weist auf den mangelnden farblichen Kontrast des Leitsystems und fehlenden Unterlaufschutz bei den neu aufgestellten Bänken und Fahrradbügeln hin. Das Gefälle im Pflaster stellt zudem ein erhebliches Problem für Personen mit Rollatoren dar. Auch endet das Leitsystem in der Eckermannstraße im Nirgendwo ohne Möglichkeit, die Straße zu queren, obwohl der Streifen auf der gegenüberliegenden Seite in der Rathausstraße weiter geführt wird. Diese Mängel sind nicht mehr zu beheben und hätten durch eine frühe Einbeziehung von Betroffenen vermieden werden können.

Petra Kohls bietet hier für zukünftige Entscheidungen die Beratung des Inklusionsbeirates des Landkreises an, dessen Ziel es ist, für alle Menschen mit und ohne Behinderungen ein Leben ohne Einschränkungen und Ausgrenzungen zu verwirklichen. Voraussetzung sollte selbstverständlich die Bereitstellung aller Unterlagen in barrierefreier Form sein, mahnt sie an.

Fazit: Es gibt noch einiges zu tun! So sollten umgehend alle Fahrradbügel daraufhin überprüft werden, ob die abgestellten Fahrräder in das Leitsystem hinein ragen und – falls ja – neu platziert werden. Ein Unterlaufschutz für Bänke und Fahrräder ist nachzurüsten. Auch wenn die Tatsache, dass sich sehbehinderte und blinde Menschen bei Regenwetter nasse Füße in der Regenrinne holen nicht veränderbar ist, so ist doch das Umsetzen der Entwässerungseinläufe in Gehrichtung möglich.

Eine positive Abschlussbemerkung:  Vertreter*innen der Stadtverwaltung, die parallel eine Begehung mit dem verantwortlichen Architekten der Innenstadtsanierung durchführten, griffen die Anregungen spontan auf und versprachen, die Regenwasser-Einläufe zu drehen. Immerhin!

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