Pressemitteilung der GRÜNEN Fraktion im Stadtrat vom 25. April 2022:
Ausgerechnet am 1. April brachte die Stadtverwaltung ein tags zuvor im Verwaltungsausschuss angekündigtes Umlaufverfahren zur Beschlussfassung des Stadtrates zum geplanten Neubau der Winsener Stadtbibliothek auf den Weg. Das Vorgehen erwies sich auf Nachfrage nicht als Aprilscherz.
Die Stadt macht mit der aktuellen Einleitung des Umlaufverfahrens von Sonderregelungen nach § 182 NKomVG Gebrauch, die in Zeiten verschärfter pandemischer Lagen Abweichungen vom Grundsatz der Präsenzsitzung zulassen. Die Sonderregelungen sollen die Handlungsfähigkeit der kommunalen Gremien in außergewöhnlichen Situationen sicherstellen. Dabei wird davon ausgegangen, dass es für Kommunen angesichts pandemischer Lagen nicht immer möglich ist, dem Infektionsschutz und den Bestimmungen des NKomVG gerecht zu werden und Sitzungen der Vertretungen als Präsenzveranstaltungen ordnungsgemäß durchzuführen. Die Entscheidung darüber obliegt dem Bürgermeister.
Es fällt schwer, die getroffene Entscheidung in der derzeitigen Situation nachzuvollziehen. Während in den gesamten von der Pandemie geprägten Wintermonaten Sitzungen in Präsenz bzw. in hybrider Form vertretbar erschienen, ist ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, an dem allgemeine Lockerungen greifen, eine Ratssitzung als Präsenzveranstaltungen nicht ordnungsgemäß durchzuführen?
Gemäß den Kommentaren zum NKomVG bietet sich das Umlaufverfahren bei einfach zu entscheidenden Angelegenheiten an, bei denen eine ausgiebige Diskussion und Erörterung nicht unbedingt notwendig erscheint.
Das geplante Bauvorhaben wird in der Beschlussvorlage der Stadtverwaltung mit einem ungefähren Finanzierungsvolumen von 9 Millionen Euro veranschlagt, von denen man hofft, 6 Millionen Euro durch Fördermittel einzuwerben. Die Fraktion der Grünen im Stadtrat Winsen bezweifelt, dass die angesetzte Summe angesichts der massiven Kostensteigerungen im Baubereich noch realistisch ist.
Klar ist, dass Kostensteigerungen stets zu Lasten des städtischen Haushalts gehen.
Brisant ist umso mehr, dass der Förderträger eine überarbeitete Kosten- und Finanzierungsübersicht verlangt, die dem Rat im geplanten Verfahren vor seiner Entscheidung aber vorenthalten bleibt.
Und das alles stellt eine einfach zu treffende Entscheidung dar? Das sehen wir anders.
Beschlüsse per Umlauf zu treffen, schließt inhaltliche Debatten und die Öffentlichkeit aus. Zudem können etwaige Anträge zu der Beschlussvorlage nicht vorgestellt und diskutiert werden. Das ist aus demokratischer Sicht ein zweifelhaftes Verfahren, das tatsächlich ausschließlich in Zeiten einer pandemiebedingten Notlage und mit hohen Mehrheitsauflagen für dringliche, geordnete bzw. entscheidungsreife Angelegenheiten, für die eine Sachberatung nicht erforderlich ist, angewandt werden sollte. Bei der Ermessensentscheidung sollte stets die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.
Wir halten das Argument der Stadtverwaltung, dass die Ergebnisse aus den Vorarbeiten des Arbeitskreises und des Fachausschusses im Jahr 2021 eine genügend vollständige Vorlage für den erfragten Ratsbeschluss formen, für nicht stichhaltig. Der neue Stadtrat hat sich mit der Bibliothek noch nicht, bzw. nur über Protokolle und Vorlagen befassen können. Der Fraktion der Grünen stellen sich neben der unklaren Höhe der benötigten finanziellen Mittel weitere Fragen bezüglich einer Bedarfsanalyse, der Detailplanung und des Standortes. Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist bis heute ebenfalls ausgeblieben. Stattdessen sollen diese lediglich kurzfristig über die Ergebnisse der Planungen informiert werden, wie es derzeit in den Zeitungen zu lesen ist
Unter diesen Umständen können wir dem unklaren Weg der Stadt nicht folgen.
Inzwischen ist – bedingt durch die ablehnende Haltung der GRÜNEN Fraktion und der damit fehlenden Zustimmung von vier Fünfteln der Mitglieder des Stadtrates – die nächste Ratssitzung für den 23. Mai 2022 angesetzt. Diese bietet dann auch den neuen Ratsmitgliedern, die am Grundsatzbeschluss im Jahre 2021 noch nicht beteiligt waren, die Möglichkeit, das Für und Wider einer neuen Bibliothek am Standort zwischen Marstall und Kreishaus abzuwägen.