Aprilscherz: Antrag wird nicht gestellt werden

von Eike Harden.

Der vorgestellte Antrag war natürlich ein Aprilscherz! Allerdings mit einigen ernsten Hintergründen, die ich in diesem Artikel kurz beleuchten möchte. Es geht dabei vorrangig um Zielkonflikte, deren Lösung Aufgabe der Politik ist, und die nicht einfach mit einem Federstrich weggewischt werden können wie das die großen Vereinfacher gerne behaupten.

Flächenverbrauch

Die Versiegelung von Flächen mit Gebäuden, Straßen oder auch Parkraum ist in der Tat ein Problem. Manchmal gibt es gute Gründe, Gebäude zu bauen, seltener sind – so sehen das die GRÜNEN – gute Gründe für den Neubau von Straßen gegeben. Die Stadtplanung macht in diesem Bereich Vorschläge, wie den Zielkonflikten beizukommen sein könnte, derzeit wird besonders das Modell der „dezentralen Konzentration“ als vielversprechend angesehen: Dabei sollen Städte wie Winsen ihre Entwicklung kleinräumig konzentrieren, also möglichst auf die bereits bestehenden Siedlungsschwerpunkte beschränken, und dabei helfen, großräumig – man denke dabei: im Rahmen der Metropolregion Hamburg – die Entwicklung zu dezentralisieren.

Diese zusätzliche Siedlungskonzentration bedeutet auch, dass die abseits gelegenen kleinen Dörfer möglichst nicht weiter ausgebaut werden, sondern der Schwerpunkt auf der Kernstadt Winsen und den direkt daran angrenzenden Ortsteilen Borstel und Roydorf (sowie in geringerem Maß auf Luhdorf und Stöckte) liegt, die bereits einen engen Siedlungszusammenhang aufweisen und die dicht genug am Bahnhof liegen. Der Vorteil davon ist, dass im konzentrierten Bereich nahezu alle Ziele zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen sind und die meisten Straßen für weniger Autoverkehr geplant werden können. Sie bleiben dann – von der Ausnahme der überörtlichen Verbindungsstraßen abgesehen – den Rettungsfahrzeugen und Krankentransporten sowie Lieferfahrten vorbehalten.

Schwierigkeiten und Lösungsansätze

Einige Politiker*innen und Bürger*innen sehen aber Nachteile dieser Politik:

  • Abgelegene Ortsteile drohen „abgehängt“ zu werden: Busse nach Sangenstedt oder Bahlburg lohnen sich kaum, solange die Dörfer nicht wachsen und deutlich mehr Einwohner*innen aufweisen können – das gerade ist aber nicht gewollt. In Winsen ist dieser Konflikt besonders deutlich zu sehen zwischen einigen Vertreter*innen der CDU, die selbst aus abgelegenen Dörfern kommen, und den GRÜNEN, die als Lösung auf mehr kooperative Lösungen (Fahrgemeinschaften, Mitfahrbörsen, Ausweitung von Rufbussystemen wie dem ASM) setzen.
  • Durch Nachverdichtungen im innerstädtischen Bereich drohen sehr kleinteilige, aber erhaltenswerte Gebäude verloren zu gehen oder die recht großen Gärten in den Villenvierteln werden von neuen, dichter geplanten Geschossbauten verdrängt (in Winsen sieht man das Phänomen oft bei Seniorenresidenzen). In diesem Punkt herrscht zwar weitgehend Einigkeit in der Politik über die Notwendigkeit, nachzuverdichten, aber nicht darüber, ob eher Grünflächen oder bestehende Altgebäude weichen sollen. Es wäre auch zu fragen, ob es sinnvoll sein kann, gar keinen Ausgleich zwischen diesem Zielkonflikt zu schaffen, wenn nämlich Grünflächen Gebäuden weichen müssen, die sich in einem historisierenden Stil dem Gebäudebestand anzupassen versuchen. Man müsste hier darüber nachdenken, Gebäude so zu planen, dass sie die Funktion der Grünflächen mit übernehmen können, die sie überdecken, und neue Gebäude entsprechend zu begrünen.
  • Außer den GRÜNEN sieht offenbar niemand die Notwendigkeit, eine Stadt, die dem Prinzip der „dezentralen Konzentration“ folgt, konsequent nicht für Kraftfahrzeuge, sondern für Fußgänger und Fahrräder zu planen, also für Menschen ohne sie umgebende Blechhaufen. Das bedeutet, dass in sämtlichen kleinteiligen Erschließungsstraßen Schrittgeschwingkeit und in den durchgehenden Gemeindestraßen Tempo 30 vorgeschrieben wird. Ebenso sollte – außer er ist für die ortsansässigen Betriebe absolut notwendig – der Güter- oder Lieferverkehr aus den Straßen der Stadt herausgehalten werden.
  • Schließlich gibt es einen Bedarf an Gebäuden für bestimmte Funktionen: Man braucht einfach eine Stadtbücherei, ein Jugendzentrum, eine Touristeninformation, ganz allgemein einen Ort für soziale Begegnung und Kulturveranstaltungen. Nach dem Grundgedanken der „dezentralen Konzentration“ sollte dieser Ort für möglichst viele Menschen gut zu erreichen sein – auch für die Bewohner*innen der abgelegenen Ortsteile übrigens. Gleiches gilt für den Bahnhof, der die Verbindung zur Metropole Hamburg herstellt, und für die Innenstadt, in der Leben erwünscht ist. Zu diesen Orten muss man kommen können, gegebenenfalls mit dem Auto, und dann muss man dort auch parken können. Deshalb halten wir GRÜNE es für richtig, diese verschiedenen Funktionen möglichst dicht beieinander zu bündeln, und dann eben an der nötigen Stelle auch ein Parkhaus zu errichten. Innenstadt und Bahnhof lassen sich nun einmal nicht verschieben, aber die Standorte für andere Funktionsgebäude müssen dann eben sehr nah daran errichtet werden; Gebäude, die Funktionen der Innenstadt mit übernehmen können außerhalb des Innenstadtbereichs zu planen, ist verfehlt (man denke: ein Geschäftsgebäude am Kreisel Hansestraße/Hamburger Straße.)

Die Zielkonflikte sind vorhanden und lassen sich nicht völlig auflösen, aber der bisherige Ansatz der Mehrheit in der Winsener Politik – immer mehr neue Gebäude überall im Stadtgebiet verteilt zu errichten und dann neue Straßen, Leitungen und was sonst noch so gebraucht wird, zusätzlich dorthin zu verlegen – dieser Ansatz aus den Tiefen des letzten Jahrhunderts wird nicht mehr lange tragen. In Bayern gibt es Gemeinden, in denen die CSU mit dieser Politik bereits das gesamte Gemeindegebiet bebaut hat – diese Orte sind tot, sie haben keinerlei Entwicklungsmöglichkeit mehr. Winsen ist noch weit davon entfernt und mit der Politik der GRÜNEN wird das auch so bleiben!