Rede der Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Ratskolleg:innen,
sehr geehrte Mitbürger:innen hier im Saal oder an den Bildschirmen!
„Als die Handyalarme schrillten, war alles bereits unter Wasser.“ so schildert ein Überlebender aus einem Vorort von Valencia die Ereignisse beim Hochwasser des 29. Oktober diesen Jahres. In seinem Umfeld starben viele Menschen an diesem Tag.
Katastrophen wie in Valencia häufen sich: Ahrtal, Erdrutsche in Südtirol, Überflutungen in Österreich und Polen. Aktuell sehen wir die verstörenden Bilder aus Mayotte.
Diese Katastrophen lassen auch hier bei uns den Alarm schrillen. Und, meine Damen und Herren, wir dürfen den Empfang nicht auf lautlos stellen. Wir müssen jetzt Verantwortung übernehmen für das, was kommt.
Wir haben mit der Verabschiedung unseres Klimaschutzkonzeptes das Ziel der Klimaneutralität 2040 definiert. Heute stehen wir am Ende von 2024 und ziehen Bilanz. Wir haben noch 16 Jahre um unser Ziel zu erreichen.
Die Frage für uns heute – hier im Rat – ist doch: Was nützt dem Klimaschutz in Winsen am effektivsten?
Was nicht geht: Jetzt den Klimaschutz auszubremsen. Darauf hat auch das Winsener Klimaschutz-Netzwerk in seinem Schreiben an die Mitglieder des Umweltausschusses aktuell eindringlich hingewiesen. Zu viele Projekte unseres Klimaschutzkonzeptes sind noch nicht ausreichend oder noch gar nicht auf den Weg gebracht.
Wie gehen andere Kommunen mit der Herausforderung um? Die Klimakommune Saerbeck fasst ihr Engagement ganz einfach in zwei Worten zusammen: Gesagt – getan!
Unsere Verantwortung für Winsen.
Gesagt, also beschlossen haben wir in Winsen schon viele teure Konzepte. Ich erinnere nur an das energetische Quartierskonzept Hanseviertel, das zusammen mit vielen anderen in der Schublade liegt. Auf der Veranstaltung zur Wärmeplanung erinnerte vieles an dieses Konzept. Wir hätten weiter sein können.
Die Wärmeplanung setzt auf Sanierung. Die Bürger:innen jedoch schrecken vor den hohen Investitionen zurück und brauchen Beratung. Wieso wird ausgerechnet dieses Projekt des Klimaschutzkonzeptes nicht umgesetzt?
Und klar: Auch im Bereich Verkehr liegen viele Konzepte und Beschlüsse in der Schublade. Besonders bei der Radverkehrsplanung geht es nicht voran. Schade, dass die Gruppe CDU/FDP sich unserem Vorschlag, den ADFC mit seinem Sachwissen in Gremienarbeit verbindlich einzubinden, nicht anschließen konnte.
Unser von allen Fraktionen unterstützter Antrag auf Sicherung kommunaler Einnahmen aus Wind- und Solarenergie „weht“ dem Haushalt der Stadt im kommenden Jahr 100.000€ in die Kasse.
Unser Ratsbeschluss besagte aber auch, dass dieses Geld zur Finanzierung eines klar definierten und abgegrenzten Projektes des Klimaschutzes zu nutzen sei. Meine Damen und Herren, welches ist dieses Projekt im kommenden Jahr? Es kann doch nicht sein, dass die Einnahmen statt dessen im allgemeinen Haushalt verbucht werden, ohne den Haushaltsansatz überhaupt auch nur um einen Cent zu erhöhen!
Oder krankt das fehlende „Tun“ am Personalmangel? Noch immer geben wir in Winsen nur die Hälfte an Personalkosten vergleichbarer Kommunen aus.
Im Bereich Klimaschutz müssen wir die Klimafolgenanpassung in den Blick nehmen. Die Kommunen werden durch Bundesgesetzgebung seit Sommer 2024 dabei unterstützt, konkrete Risiken vor Ort zu identifizieren. Niedersachsen hat inzwischen die erste Förderung aufgelegt. Diese gilt es zu nutzen.
Wir GRÜNEN fordern daher eine zusätzliche Stelle für den Klimaschutz mit Schwerpunkt Klimafolgenanpassung, dauerhaft finanziert aus den Einnahmen der Windkraftanlagen.
Die Winsener:innen als Anrainer von Elbe und Luhe wissen, was Hochwasser bedeutet. Es treibt die Menschen um, ob auch uns eine Katastrophe wie die in Valencia treffen kann. Liebe Ratskolleg:innen: Wir sind unseren Mitbürger:innen schuldig, die Folgen des Klimawandels verstärkt in den Blick zu nehmen und sie und uns zu schützen! Diese Stelle für die Anpassung an die Klimafolgen sind wir ihnen schuldig!
Immer wieder stellen wir leider fest – und bemängeln dies in den Ausschüssen – dass „gesagt-getan“ in Winsen häufig umgekehrt wird. Zunächst wird getan, Planung erfolgt später.
Wie sonst ist es zu erklären, dass für die Stadthalle – nach umfangreicher, millionenschwerer Sanierung gerade erst wieder in Betrieb gegangen – nun erneut 1,4 Mill. Euro Investitionskosten nötig sind u.a. im Bereich Brandschutz? Das sind zusätzliche Investitionen in eine Immobilie, die keinerlei Gewinn abwirft.
Wir haben an dieser Stelle große Bauchschmerzen, dem zuzustimmen. Wir erwarten, dass wir im kommenden Jahr endlich in ernst zu nehmende, kontinuierliche Gespräche mit den Kulturschaffenden einsteigen, um im Gesamtergebnis ein professionelles Betreiberkonzept zu erarbeiten. Die entsprechende Initiative werden wir ergreifen.
Unsere Verantwortung für die Finanzen.
Jahr für Jahr werden wir von unserem Kämmerer zum Sparen angehalten. Das ist sein Auftrag. Die Tatsache, dass wir – wie auch beim letzten Haushalt – auch 2025 durch die Erhöhung der Gewerbesteuereinnahmen wieder einmal deutlich besser dastehen, darf uns nicht in Sicherheit wiegen.
Unsere Rechnungsprüferin mahnt an, dass bei der Planung von Investitionsmaßnahmen die zeitliche Umsetzbarkeit unter dem Aspekt der personellen und organisatorischen Ressourcen sorgsam zu prüfen sei. Hier verweise ich noch einmal auf meine Ausführungen zu den Personalkosten.
Auf den von uns angekündigten Antrag auf eine weitere Stelle im Bereich der Radwegeplanung haben wir aufgrund unserer Verantwortung für die Finanzen dieses Jahr verzichtet.
Unser freiwilliges Haushaltssicherungskonzept hat aufgezeigt, wo weiteres Einsparpotential läge. Es sind die freiwilligen Leistungen in den Bereichen, die wir alle möglichst erhalten wissen wollen.
Unsere Verantwortung für die Jugend.
Einig waren wir uns parteiübergreifend, dass der Hebel für Einsparungen nicht im Bereich von Kindern und Jugendlichen liegt. Und tatsächlich: Gesagt – getan!
Wir können feststellen, dass die Container in Borstel kommen und die dringende Erweiterung der Alten Stadtschule immerhin in planerische Nähe gerückt ist, wenngleich z.B. Sanierungsmaßnahmen an der Schule am Ilmer Barg zurückgestellt werden mussten. Nun muss daneben auch die Bedarfsplanung der KiTas im Fokus stehen.
Mit Sorge betrachten wir die finanzielle Situation der Musikschule. Die Zuschüsse der Stadt liegen weit unterhalb der Bezuschussung vergleichbarer Kommunen. Wir beantragen daher eine Bezuschussung in der von der Musikschule dargelegten Höhe.
Unsere Verantwortung für die Demokratie.
Wir freuen uns, dass alle Anträge der ehrenamtlich in Winsen Tätigen parteiübergreifend genehmigt werden konnten. Wir wissen, dass das Ehrenamt eine tragende Säule unserer Demokratie ist.
Eine weitere ist die Transparenz und die politische Teilhabe. Es hat sich in der letzten Zeit leider die Praxis eingeschlichen, wichtige Entscheidungen in nichtöffentlicher Sitzung zu fällen. Hier sollten wir wieder mehr Einblicke erlauben und haben in der Vergangenheit immer wieder interveniert.
Unter dem Motto „Winsen hält zusammen“ haben sich Politik und Zivilgesellschaft in diesem Jahr bei mehreren Großveranstaltungen auch bei uns in Winsen gemeinsam aufgestellt. Dieser Einsatz für unsere Demokratie war überwältigend.
Meine Damen und Herren, nun steht es fest: Am 23. Februar ist Bundestagswahl.
In Valencia denkt man bei diesem Datum an etwas anderes. Am 23.2. vor 44 Jahren fand der letzte Militärputsch-Versuch des faschistischen Spaniens statt. Aktuell ist die Erinnerung daran dort wieder sehr präsent: Seit der Katastrophe vor 7 Wochen machen extrem rechte Politiker mit der Not der Menschen erfolgreich Propaganda.
Lassen Sie uns in den kommenden Wochen Demokratie und Solidarität vorleben: Winsen hält zusammen. Gesagt haben das jedenfalls alle Demokrat:innen….
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Ihnen allen ein frohes Fest und einen guten Jahreswechsel!
Margot Schäfer
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