Aufgrund aktueller Gerüchte um eine Wolfssichtung in Winsen – es dürfte sich um einen Schäferhund gehandelt haben – und wegen der massiven Kampagne in der Winsener Innenstadt veröffentlichen wir hier die
gemeinsame Erklärung von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Ministerpräsident Stephan Weil zum Konflikt zwischen Wolfsschutz und Weidetierhaltung.
- Der Wolf ist eine gefährdete Tierart, die in ihren angestammten Lebensraum zurückkehrt, in dem sie in vorherigen Jahrhunderten ausgerottet worden war. Er steht daher zurecht unter strengem Artenschutz.
- Gleichzeitig ist auch Weidetierhaltung ein wertvoller Beitrag zur Landschaftspflege und zum Naturschutz. Sie muss auch dort in Zukunft sichergestellt bleiben, [wo] durch Zuwanderung des Wolfs vermehrt Zielkonflikte auftreten.
- Die wirtschaftliche Situation der Nutztierhalter muss verbessert werden. Agrarsubventionen müssen zugunsten von Betriebsformen umverteilt werden, die Naturschutzvorteile mit sich bringen. Dazu gehören auch die Schaf- und Ziegenhaltung.
- Die Ausbreitung des Wolfes erfordert Anpassungen im bisherigen Beweidungsregime. Dadurch entstehen neue Belastungen für die Nutztierhalter. Ihnen muss geholfen werden, ihre Herden in den Gebieten, die durch den Wolf wiederbesiedelt wurden und werden, flächendeckend zu schützen. Bei Rindern und Pferden ist ein Schutz von Kälbern und Fohlen und Tieren in der Geburtsphase notwendig.
- Die Nutztierhalter*innen leisten ihren Beitrag und sind gehalten, den empfohlenen präventiven Herdenschutz zu installieren, um Konflikte zu minimieren. Die erforderlichen Herdenschutzmaßnahmen werden vom Land gefördert. [Das Bundesumweltministerium] und [die niedersächsische] Landesregierung werden sich dafür einsetzen, dass Präventionsmaßnahmen und Schadenausgleich künftig auch aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz finanziert werden können.
- Die Sicherheit der Menschen hat oberste Priorität. Wölfe, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten, sind zu beobachten und gegebenenfalls zu töten. Eine entsprechende Entnahme wurde in Niedersachsen bereits einmal vorgenommen (Tötung des Wolfes MT-6). [Das ist nichts Neues, sondern geltende Rechtslage nach § 45 Absatz 7 Nummer 4 des Bundesnaturschutzgesetzes, GRÜN]
- Nicht jede Sichtung eines Wolfs ist aber ein Grund zur Beunruhigung. Unproblematisch und nicht gefährlich ist es zum Beispiel, wenn ein Wolf im Dunkeln direkt an einer Ortschaft entlang – oder durch Siedlungen hindurchläuft. Unproblematisch und nicht gefährlich ist auch, wenn ein Wolf im Hellen in Sichtweite von Ortschaften oder Einzelgehöften entlangläuft. Das ist für sich allein kein Grund für eine Entnahme des Tiers. Wölfe dürfen im Einklang mit dem geltenden Recht auch dann der Natur entnommen werden, wenn sie die empfohlenen und den Nutztierhaltern zumutbaren Schutzvorrichtungen mehrfach überwinden. Jeder auftretende Fall muss einzeln geprüft und bewertet werden.
- [Das Bundesumweltministerium] und [die niedersächsische] Landesregierung streben eine noch engere Abstimmung in Fragen des Wolfsmanagements an. Der Bund hat die Dokumentations- und Beratungsstelle zum Thema Wolf eingerichtet, die die zuständigen Stellen der Länder in Bewertungsfragen berät, so dass die Länder auf dieser Grundlage weitere Maßnahmen einleiten können. Die Bundesländer streben ein einheitliches Vorgehen beim Umgang mit „verhaltensauffälligen“ Wölfen an. Das Halten von Schafen auf Deichen sowie die Wanderschäferei in der Lüneburger Heide stellen einen wichtigen Beitrag zum Hochwasser- und/oder Naturschutz dar und liegen damit auch im öffentlichen Interesse. Sie stehen jedoch immer mehr in Konflikt mit der Ausbreitung der Wölfe in diesen Regionen. [Das Bundesumweltministerium] und [die niedersächsische] Landesregierung sind sich einig, dass Deutschland und Niedersachsen dabei nach Lösungen suchen, die sich innerhalb der Möglichkeiten des Artenschutzregimes bewegen. Im Einzelfall sind unter den bereits genannten Voraussetzungen auch Eingriffe auf der Grundlage der Ausnahmen von Artikel 16 [der Flora-Fauna-Habitat]-Richtlinie sowie § 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz möglich.
- Hierzu kann in letzter Konsequenz als Einzelmaßnahme auch die Entnahme eines Rudels gehören, wenn die gemeinschaftlich jagenden Individuen gelernt haben, sämtliche der empfohlenen und zumutbaren Schutzmaßnahmen zu überwinden, soweit die übrigen Ausnahmevoraussetzungen erfüllt sind.
- [Das BUndesumweltministerium] steht hierzu auch in engem Austausch mit der Eu[ropäischen] Kommission und angrenzenden Mitgliedstaaten.
- Die Forderung, Wölfe in das Jagdrecht aufzunehmen, ist keine zielführende Option. Sie würde nicht bedeuten, dass Wölfe beliebig bejagt werden dürften. Das Schutzniveau des Wolfes bliebe unverändert bestehen. Eine ganzjährige Schonfrist wäre rechtlich erforderlich. Zudem böte eine Ausdünnung des Wolfsbestandes keine Alternative zum Herdenschutz, weil nicht geschützte Weidetiere weiterhin angegriffen werden können.
- Die Öffentlichkeitsarbeit muss intensiviert werden, um den Sorgen in der Bevölkerung zu begegnen. Die Landesregierung wird in Kürze ein neues Wolfkonzept veröffentlichen. Neben den geplanten fachlichen Maßnahmen soll dort auch Erwähnung finden, welche Belastungen mit dem Wolf verbunden sind – und welche Möglichkeiten, Mittel und Rechtsgrundlagen vorhanden sind, um effektiv handeln zu können.
Oder kurzum (von Eike Harden): Die bestehenden Rechtsvorschriften sind nahezu alternativlos und reichen auch völlig aus, um Menschen vor dem Wolf zu schützen. Allerdings müssen – schon aus dem Grund, weil wir alle ein Interesse daran haben – mehr Finanzmittel in die Weidetierhaltung fließen. Dazu befürworten die Bundesumweltministerin (die inzwischen abgewählt worden ist und deren Partei nicht weiter regieren möchte) und die niedersächsische rot-grüne Landesregierung (die erst noch wiedergewählt werden muss), den von den GRÜNEN schon lange geforderten Umbau der Agrarsubventionen weg von der Unterstützung der industriellen Landwirtschaft hin zur bäuerlichen Landiwrtschaft. Die Sozialdemokraten unterstützen die GRÜNEN endlich in ihrer Forderung nach einer Agrarwende. Ich möchte aus diesem Anlass an das alte Sprichwort erinnern: Man kommt niemals zu früh und selten zu spät! Hier könnte vorerst das zweite der Fall gewesen sein.